- Stress und andere Ursachen der Freizeitkrankheit

Freizeitkrankheit © panthermedia.net / Dominika Lukaszun

Manche kennen es vielleicht: Kaum hat der Urlaub nach einigen stressigen Arbeitswochen begonnen, schon kratzt es im Hals und man wird krank. Seit etwa 20 Jahren findet dieses Phänomen Beachtung in der Wissenschaft und wird kontrovers diskutiert. Die Verfechter der Theorie von der sogenannten Freizeitkrankheit machen neben psychischen und sozialen Faktoren aus dem Gleichgewicht geratene, biochemische Hormonregelkreise als Auslöser verantwortlich [1]. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den derzeitigen Stand der Forschung.

Was ist die Freizeitkrankheit?

Die Freizeitkrankheit wird auch als Leisure Sickness bezeichnet. Der Begriff wurde erstmals Anfang der 2000er-Jahre offiziell verwendet. Er soll kein eigenständiges Krankheitsbild definieren, sondern als griffige Beschreibung eines Beschwerdekomplexes dienen. Typischerweise zeigt sich die Freizeitkrankheit als Infekt der Atemwege, welcher innerhalb eines stressarmen Zeitraums, also zum Beispiel im Urlaub, beginnt. Darüber hinaus können Muskelschmerzen, Übelkeit, Kreuzschmerzen, ein allgemeines Schwächegefühl (Fatigue) oder Kopfschmerzen auftreten. Eine Sonderform der Freizeitkrankheit ist nach Auffassung einiger Wissenschaftler die Wochenendmigräne.

Umfragen unter Betroffenen ergaben, dass die Freizeitkrankheit ein chronisches Beschwerdebild zu sein scheint, das regelmäßig wiederkehrt. Viele Betroffene leiden demnach seit mehr als zehn Jahren wiederholt an Krankheitssymptomen in Zeiten verminderten Stresses [1][2]. Bislang fehlt es an verlässlichen Studienergebnissen zur Häufigkeit dieses Beschwerdebildes. Schätzungsweise drei Prozent der Bevölkerung sind betroffen, mit einem leichten Überwiegen bei den Männern [3].

Die Entstehung der Freizeitkrankheit

Es gibt viele Theorien darüber, wie es zur Freizeiterkrankung kommt. Vermutlich gibt es nicht nur einen einzigen Auslöser. Sehr wahrscheinlich sind verschiedene biologische, psychologische und soziale Einflüsse verantwortlich. Von Bedeutung ist sicherlich die Persönlichkeit eines Menschen. Perfektionisten, Übereifrige und Workaholics leiden auffällig häufig an der Freizeitkrankheit. Diese Persönlichkeitstypen fühlen sich nur dann wohl, wenn sie Druck durch ihre Arbeit erfahren. Eine Zeit ohne Arbeit wird von ihnen als negativer Stress (Disstress), teils sogar mit Schuldgefühlen wegen Unproduktivität, erlebt. Auch die Einstellung einer Person zu Arbeit und Freizeit ist nach aktueller Erkenntnislage bedeutsam. Einige verstehen und erleben Freizeitaktivitäten als Stress anstatt als Erholung. Der erhöhte Stresslevel führt zur Ausschüttung des körpereigenen Botenstoffes Cortisol aus den Nebennieren. Cortisol kann das Immunsystem unterdrücken und so anfälliger für Krankheitserreger machen. Es besteht also ein direkter Zusammenhang zwischen der Gemütsverfassung, dem Immunsystem und der Anfälligkeit für Infektionskrankheiten [1][4].

Relax© panthermedia.net / johnkwan

Neben der Persönlichkeit eines Menschen hat sich auch die Geschwindigkeit des Wechsels von der Arbeits- in die Freizeitphase als Risikofaktor gezeigt. Ein zu schneller Übergang in die Erholungszeit kann zu einem hormonellen Ungleichgewicht mit Auswirkungen auf die körperlichen Abwehrkräfte führen. Experimente an Affen haben gezeigt, dass sich nach einem plötzlichen Wegfall des Stresses Magengeschwüre bei den Tieren entwickelten. Von psychologischer Seite neigen einige Menschen dazu, sich ohne die Ablenkung durch Arbeit mehr auf körperliche Beschwerden wie Mattigkeit oder Kopfschmerzen zu konzentrieren. Die nun verstärkt wahrgenommenen Symptome werden schließlich als Krankheitsbild erlebt. Weitere Hypothesen zur Entstehung der Freizeitkrankheit beinhalten ein unbewusstes Aufschieben einer Erkrankung auf einen günstigen Zeitpunkt, nämlich oft das Wochenende oder den Urlaub.

Wie lässt sich der Freizeitkrankheit vorbeugen?

Effektiv vorbeugende Maßnahmen gegen die Freizeitkrankheit sind nur schwer zu treffen. Es gibt Hinweise, dass sportliche Betätigung nach Ende der Arbeit das Risiko für die Ausbildung von Beschwerden in den folgenden freien Tagen reduzieren kann. Das nötige Ausmaß der körperlichen Aktivität bleibt Gegenstand der Forschung. Außerdem kann eine Verhaltenstherapie erwogen werden, um eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu erhalten und somit krankmachendem Stress im Urlaub vorzubeugen [1].

Wie lässt sich die Freizeitkrankheit behandeln?

Die Therapie richtet sich maßgeblich nach dem Erscheinungsbild der Freizeitkrankheit. Tritt sie etwa als Infektion der Atemwege auf, stehen symptomorientierte Maßnahmen im Vordergrund. Bei Halsschmerzen können Lutschbonbons helfen und vor Austrocknung der Schleimhaut schützen. Warme Getränke wie Kräutertees können bei allgemeinem Unwohlsein und Schwächegefühl Linderung verschaffen, da die Flüssigkeitszufuhr kreislaufstabilisierend wirkt. Kopfschmerzen bis hin zur Migräne werden am besten durch körperliche Schonung, eine ruhige Umgebung und bei Bedarf Medikamenteneinsatz kuriert [5].

Zusammenfassung

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung© panthermedia.net / Sergej Seemann

Die Freizeitkrankheit ist ein komplexes Beschwerdebild, dessen Entstehung bisher nicht zufriedenstellend verstanden ist. Therapie oder Vorsorge sind dementsprechend schwierig. Bricht die Krankheit im Urlaub aus, können die Krankheitstage in der Regel auf den Urlaub angerechnet werden. Wichtig ist hierfür ein ärztliches Attest mit Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit gleich zu Beginn der Erkrankung im Urlaub [6].

Quellenangaben:

[1] Guus L. Van Heck, „Leisure sickness: a biopsychosocial perspective”, http://www.oalib.com/paper/2460604#.VjJJ-Pkve70, 29.10.2015.
[2] Klaus Weiermair: Time Shift, Leisure and Tourism: Impacts of Time Allocation on Successful Products and Services. Erich Schmidt Verlag, 2006, S. 149 ff.
[3] Ad J. J. M. Vingerhoets, „Leisure sickness: a pilot study on its prevalence, phenomenology, and background”, http://www.karger.com/Article/Abstract/65992, 29.10.2015.
[4] Rainer Klinke: Physiologie. Thieme Verlag, 2010, S. 543.
[5] Gerd Herold: Innere Medizin. Verlag Gerd Herold, 2015, S. 873 ff., S. 123 ff.
[6] „Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz)“, http://www.gesetze-im-internet.de/burlg/__9.html, 29.10.2015.