- Zweifelhafte Hungerkuren: macht Fasten krank?

Fasten © panthermedia.net / olly18

Alles dreht sich ums Essen oder vielmehr darum, was lieber nicht gegessen werden sollte. Low Carb, Paleo oder besser ganz auf Nahrung verzichten? Die phantasievollsten Ernährungs- und Fastenkuren sind in der Mainstream-Kultur angekommen. Aber Vorsicht! Diäten und Fasten können krank machen.

Schlacken gibt es nicht

Mal so richtig schön entschlacken und entgiften – eine Woche Heilfasten spült angeblich nicht nur das Gift aus dem Köper, es macht auch gesund und schlank. Der Mythos von der Fastenkur lautetet folgendermaßen: Über die Luft und unsere Nahrung nehmen wir täglich Gifte in unseren Organismus auf, die sich in Form von Schlacken im Darm, in den Blutgefäßen und Fetteinlagerungen niederlassen. Wenn wir eine Zeit lang nichts essen und dafür eine Menge Wasser zu uns nehmen, werden diese schädlichen Ablagerungen aus unserem Körper gespült. Danach sind wir nicht nur schlanker, wir fühlen uns wie neugeboren. Einige Menschen glauben sogar, dauerhaft ohne Nahrung und Wasser auskommen zu können. Sie sind Anhänger der sogenannten Lichtnahrung, einer Fastentechnik, die schon mehrere Todesopfer gefordert hat. Aus medizinischer Sicht gibt es Schlacken nicht. Da sind sich Wissenschaft und Forschung einig. Dennoch glauben viele Menschen, durch Fasten ihren Gesundheitszustand dauerhaft bessern zu können [1].

Macht Fasten krank?

Die ungemeine Popularität von Hungerkuren, Diäten und Fastentechniken hat viele Gründe. Nehmen wir über mehrere Tage hinweg keine Nahrung zu uns, kann es durch die körperliche Erschöpfung zu vermehrten Endorphinausschüttungen kommen, die sich dann in Form von Euphorie bemerkbar machen [1]. Das ständige Hungern bzw. das Einhalten strenger Ernährungsregeln kann sogar manchmal süchtig machen. Man nennt diese spezielle Form der Essstörung Orthorexie. Die Betroffenen etablieren dabei ein Belohnungssystem. Immer, wenn sie ihre selbst festgelegten Regeln befolgen, geben sie einem immensen Bedürfnis nach Kontrolle über den eigenen Körper nach. Das aktiviert das Belohnungszentrum im Hirn und erzeugt Glücksgefühle. Die jeweiligen Ernährungsvorschriften ersetzen dann normale Problemlösungsstrategien. Nichts zu essen oder nur bestimmte, ausgewählte Nahrungsmittel zu sich zu nehmen, wirkt auf den Hirnstoffwechsel in diesem Fall ähnlich wie eine Droge [2].

Aber Fasten kann nicht nur psychisch, sondern auch physisch krank machen. Im schlimmsten Fall bringt es den Stoffwechsel völlig durcheinander. Nicht nur der vollständige Nahrungsverzicht auch bestimmte Diäten können diesen Effekt auslösen. Bei der populären Atikins-Diät beispielsweise verzichtet man üblicherweise auf Kohlenhydrate, die Energielieferanten des Körpers. Stattdessen greift der Organismus seine Fettreserven an, bei deren Verwertung sogenannte Ketone freigesetzt werden. Beim Versuch, diese Giftstoffe auszuscheiden, wird die Niere mitunter überlastet und der Körper wird mit Harnsäure überschwemmt. Es kann zu Übelkeit, Erbrechen, vermehrtem Harndrang und Schwäche kommen. Eine sogenannte Ketoazidose kommt sonst nur bei Diabetikern vor und kann im schlimmsten Fall tödlich enden. Auch das Risiko für Nierensteine, Muskelkrämpfe, Sehstörungen und Herz-Kreislaufschwächen steigt [1][3][4].

Schwächt Fasten das Immunsystem?

Ob Fastenkuren und Diäten auch einen Einfluss auf das Immunsystem haben, darüber streiten sich Wissenschaftler schon seit Jahren. In einer Studie des Fred Hutchinson Cancer Research Centers in Seattle wurden 114 übergewichtige Frauen auf ihre Diätgewohnheiten der letzten 20 Jahre hin befragt. Diejenigen Patientinnen, die besonders häufig ab- und durch den sogenannten Jo-Jo-Effekt, wie er nach dem vollständigen oder teilweisen Nahrungsverzicht häufig eintritt, wieder zugenommen hatten, wiesen im Schnitt ein geschwächtes Immunsystem auf [3]. Natürlich hat nicht jede Diät katastrophale Auswirkungen auf den Organismus. Wer ein paar Pfunde abspecken will, sollte allerdings eher über eine gesündere Ernährung nachdenken und Sport in seinen Tagesablauf integrieren, statt den Körper mit radikalen Hungerkuren zu belasten.

Valter Longo, ein Gerontologe aus Los Angeles, dagegen stellte in einem Tierversuch mit Säugetieren fest, dass bei seinen pelzigen Probanden 2 bis 4 Tage Nahrungsentzug zu einer Regeneration der Immunzellen führte. Damit sank das Krebsrisiko und auch Infektionen konnten leichter abgewehrt werden [5].

Fasten, also der vollständige oder teilweise Verzicht auf Nahrung, macht manchmal krank, kann aber womöglich auch dabei helfen, das Immunsystem fit zu halten. Als Maßnahme, um Gewicht zu verlieren eignet es sich nicht, denn häufig setzt schon nach kurzer Zeit der unangenehme Jo-Jo-Effekt ein, wenn der Körper versucht, die verlorenen Reserven wieder anzulegen. Wer abnehmen möchte, sollte deshalb besser langfristig seine Ernährung umstellen.

Quellenangaben:

[1] „Ballaststoffe fürs Gehirn“, http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/sinn-und-unsinn-von-fasten-ballaststoffe-fuers-gehirn-1.585344, 27.06.2016
[2] „Orthorexia nervosa: Besessen von gesunder Ernährung“, http://www.chirurgie-portal.de/news/orthorexia-nervosa.html, 27.06.2016
[3] J. Zittlau: „Hungern und Fasten können gefährlich werden“, http://www.welt.de/gesundheit/article11051274/Hungern-und-Fasten-koennen-gefaehrlich-werden.html, 27.06.2016
[4] „Diät, Fasten und Übersäuerung“, http://www.saeure-basen-ratgeber.de/ziel-risikogruppen/diaet-fasten-uebersaeuerung/, 27.06.2016
[5] „Forschung belegt: Mehrtägiges Fasten kann Immunsystem vollständig erneuern“, http://www.epochtimes.de/gesundheit/fasten-erneuert-immunsystem-a1295772.html, 27.06.2016